BGH zum Mordmerkmal der Heimtücke
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine weitere Entscheidung zum Mordmerkmal der Heimtücke getroffen. Heimtückisch kann man nur handeln, wenn das Opfer arg- und wehrlos ist. Wenn der Geschädigte den Täter aber erkannt hat, kann er nicht mehr arglos sein. Er hat dann quasi ausreichend Zeit, sich auf den Angriff vorzubereiten und sich gegebenenfalls zu wehren.
BGH, Urteil vom 25.07.2024 – 1 StR 471/23
In diesem Fall trat der Angeklagte dem Geschädigten vor dem ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriff offen feindselig gegenüber. Er stand – für den Geschädigten gut erkennbar – im Lichtkegel der Hausbeleuchtung mit einigem räumlichen Abstand unterhalb des Treppenaufgangs, den Zimmermannshammer sichtbar in der Hand. Der Angeklagte näherte sich dem Geschädigten über die Treppenstufen in unverhohlener und vom Geschädigten augenblicklich erkannter Angriffsabsicht. Trotz der kurzen Zeitspanne von wenigen Sekunden war der Geschädigte im Zeitpunkt des Angriffs nicht mehr arglos, sondern lediglich überrascht durch die unerwartete Begegnung mit dem Angeklagten. Die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff des Angeklagten war, wie an der Reaktion des Geschädigten deutlich wird, auch nicht so kurz, dass diesem keine Möglichkeit mehr blieb, dem Angriff wirksam zu begegnen. Wie der Fortgang des Geschehens zeigt, war der Geschädigte aufgrund der bestehenden Kräfteverhältnisse und der Möglichkeit, Nachbarschaft und Polizei zu Hilfe zu rufen, auch nicht wehrlos. Allein dass es ihm nicht gelang, noch zurück ins Haus zu gelangen oder den Angriff vollständig abzuwehren, ändert daran nichts. Es liegt fern, dass sich der Angeklagte, der weder sich noch sein Werkzeug verborgen hielt, etwas davon völlig Abweichendes vorgestellt hat.
Heimtückisch handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.
Arglos ist ein Opfer, das sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versieht. Die Arglosigkeit führt zur Wehrlosigkeit, wenn das Opfer aufgrund der Überraschung durch den Täter in seinen Abwehrmöglichkeiten so erheblich eingeschränkt ist, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, dem Angriff auf sein Leben erfolgreich zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das ist der Fall, wenn das Opfer daran gehindert ist, sich zu verteidigen, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen oder in sonstiger Weise auch durch verbale Äußerungen auf den Täter einzuwirken, um den Angriff zu beenden.
Heimtückisches Handeln erfordert jedoch kein „heimliches“ Vorgehen. Vielmehr kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs
Beim Versuch kommt es allein auf das Vorstellungsbild des Angeklagten an. Wenn sich der Angeklagte keine heimtückische Tötung vorstellte, kann er auch nicht versucht haben, jemanden zu ermorden.
Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB
§ 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wieder gutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Ein kommunikativer Prozess in diesem Sinne setzt voraus, dass das Verhalten des Täters im Verfahren „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung” ist, um die friedensstiftende Wirkung der Schadenswiedergutmachung zu entfalten.
Für schwere Gewaltdelikte und Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wird für einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich ein Geständnis zu verlangen sein. Dabei ist nicht in jedem Fall ein umfassendes, vorbehaltloses Geständnis des Täters in der Hauptverhandlung erforderlich. Voraussetzung bleibt aber auch in diesem Fall, dass der Täter freiwillig Verantwortung für sein Handeln übernimmt und gegenüber seinem Opfer eine konstruktive Leistung erbringt, die diesem Genugtuung verschafft. Lässt sich das Tatopfer auf einen kommunikativen Prozess nicht ein, so ist das Verfahren für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht geeignet.
Allein die Erklärung in der Hauptverhandlung, dass er sich bei dem Geschädigten entschuldigen wolle, reicht nicht aus. Ein Wiedergutmachungserfolg ist zwar nicht erforderlich, aber eine Befriedung muss eintreten. Dies setzt einen persönlichen Austausch oder aber eine Zahlung voraus.
Praxishinweis:
Bei einer Verurteilung wegen Mordes kann es zu einer lebenslangen Haftstrafe kommen. Für die Verteidigung des Beschuldigten ist es von essenzieller Bedeutung, dass sich der Verteidiger mit dem Sachverhalt genauestens befasst und diesen verinnerlicht. Die Mordmerkmale und die Rechtsprechung zu Mord und Totschlag sollten selbstverständlich bekannt sein. Wenn man dem Mordmerkmal wegkommt und dann Wiedergutmachung vor der Gerichtsverhandlung betreibt, kann sich die Strafe um 10 bis 13 Jahre reduzieren.