K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug
K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug. Das Verabreichen von K.O.-Tropfen verwirklicht nicht den Tatbestand des schweren sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB.
BGH, Beschluss vom 8.10.2024 – 5 StR 382/24.
Sachverhalt
Der Angeklagte und die Lebensgefährtin der Nebenklägerin kannten sich aus der sogenannten Swinger-Szene. Spätestens seit 2018 oder 2019 gab es indes keine sexuellen Kontakte mehr zwischen ihnen. Am Vorabend eines Konzerts besuchten die Nebenklägerin und ihre Freundin den Angeklagten und dessen Verlobte, um bei ihnen zu übernachten. Der Austausch sexueller Handlungen war nicht vorgesehen.
Im Laufe des Abends entschloss sich der Angeklagte gleichwohl, der Nebenklägerin und seiner Verlobten heimlich K.O.-Tropfen zu verabreichen. Die K.O.-Tropfen zeigte die vom Angeklagten erwünschte Wirkung. Die ansonsten verschlossene Nebenklägerin begann zunächst im Wohnzimmer mit der Verlobten des Angeklagten ausgelassen zu tanzen. Im weiteren Verlauf zogen sich die Frauen gegenseitig aus, legten sich auf die Couch und küssten sich. Während die Nebenklägerin dieses ihr gänzlich wesensfremde Verhalten an den Tag legte, lag ihre Lebensgefährtin neben den beiden anderen Frauen.
Im weiteren Verlauf trat der Angeklagte hinzu, küsste die Nebenklägerin und streichelte sie an ihrer mit Brust und über ihrer Vulva. Er erkannte, dass die Nebenklägerin nicht mehr in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden.
Das LG Dresden hat (15 KLs 924 Js 58853/22) den Angeklagten wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt.
Der BGH hob das Urteil auf.
Begründung
Zwar hat der Angeklagte den Tatbestand der Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB Allerdings stellt das Verabreichen von K.O.-Tropfen nicht ein Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB dar.
K.O.-Tropfen stellen für sich genommen kein Werkzeug dar. Eine solche Auslegung lässt sich mit dem Wortlaut der Norm nicht in Einklang bringen
Bei einem Werkzeug handelt es sich nach allgemeinem Sprachgebrauch um einen für bestimmte Zwecke geformten Gegenstand, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet wird. Unter einem Gegenstand versteht man gemeinhin nur feste Körper. Da Flüssigkeiten keine feste Form haben, sind sie keine Gegenstände. Ihnen kann damit auch keine Werkzeugqualität zukommen. K.O.-Tropfen können mithin ohne eine Verletzung der sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Wortlautgrenze nicht als Werkzeug im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften bewertet werden.
Dass der Angeklagte die K.O.-Tropfen mittels eines Gegenstands, hier einer Pipette, in ein für die Nebenklägerin bestimmtes Getränk träufelte, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.
Hinweis:
Auch wenn bei der Verabreichung von sogenannten „K.O.-Tropfen“ der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 8 StGB nicht verwirklich wird, kann man dennoch genauso hart bestraft werden.
Um zu einer schuldangemessenen Ahndung von Fällen der Verabreichung sedierender Substanzen im Rahmen des § 177 StGB zu kommen kann das Gericht solche Taten, in denen der Täter ein sehr gefährliches Mittel im Sinne des § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB bei sich führt und sogar für die Tatbegehung einsetzt, bei der Strafzumessung entsprechend würdigen. Der Gesetzgeber hat bei den Strafobergrenzen in den Strafrahmen des § 177 Abs. 7 und Abs. 8 StGB keinen Unterschied gemacht (§ 38 Abs. 2 StGB).