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Niedrige Beweggründe bei Mord

in Tötungsdelikte/von Rechtsanwalt Mustafa Üstün

Die Frage nach niedrigen Beweggründen bei Mord spielt in der strafrechtlichen Praxis eine zentrale Rolle. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass Rache, Demütigung, Hass und Besitzdenken gegenüber dem ehemaligen Ehepartner als niedrige Beweggründe anzusehen sein können. Damit kann ein Tötungsdelikt auch dann als vollendeter Mord gewertet werden, wenn das Opfer nicht unmittelbar durch die Handlung des Täters stirbt, sondern infolge einer vorhersehbaren Fluchtreaktion.


I. Sachverhalt

Das Landgericht Flensburg verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der Angeklagte hatte seine frühere Ehefrau über einen längeren Zeitraum misshandelt. Sie trennte sich und lebte zeitweise im Frauenhaus. Ihm wurde das Sorgerecht entzogen. Er überzeugte sie unter dem Vorwand einer Versöhnung und gemeinsamen Auswanderung zur Rückkehr. Tatsächlich plante er, sie aus Rache zu töten, da er sich gedemütigt fühlte. Auch sein Vater drängte ihn, sie „aus dem Weg zu schaffen“.

Der Angeklagte bewaffnete sich mit Spaten, Hacke und Messern. Auf einer gemeinsamen Autofahrt stach er mit Tötungsabsicht mehrfach auf seine frühere Ehefrau ein. Sie erlitt zahlreiche lebensgefährliche Verletzungen, konnte jedoch fliehen. In Todesangst stieg sie während der Fahrt aus und rannte auf die Autobahn. Dort wurde sie von einem LKW erfasst und tödlich verletzt. Der Angeklagte rechnete nicht mit diesem konkreten Ablauf, nahm den Tod der Frau jedoch billigend in Kauf.

Der Angeklagte und die Nebenkläger legten Revision ein.


II. Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof änderte den Schuldspruch und stellte fest, dass es sich nicht um versuchten, sondern um vollendeten Mord handelt. Dabei griff er mehrere zentrale Rechtsfragen auf.

1. Kausalität

Der Angeklagte verursachte den Tod der Geschädigten durch seine Messerangriffe. Ohne die schweren Verletzungen und die lebensbedrohliche Situation wäre die Flucht auf die Autobahn nicht erfolgt. Die Kausalität wurde nicht dadurch unterbrochen, dass der unmittelbare Tod durch den LKW eintrat. Nach ständiger Rechtsprechung entfällt die Ursächlichkeit nur, wenn ein völlig neuer, eigenständiger Kausalverlauf eintritt, der nicht auf das Verhalten des Täters zurückzuführen ist. Dies war nicht der Fall.

2. Vorhersehbarkeit

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Fluchtreaktion der Geschädigten vorhersehbar war. Wer sein Opfer in einer lebensgefährlichen Lage angreift, muss damit rechnen, dass dieses in Panik flieht und sich dadurch in extreme Gefahr begibt. Die Abweichung vom geplanten Tötungsverlauf war daher unwesentlich.

3. Vorsatz

Der Angeklagte handelte mit Tötungsvorsatz. Dass der Tod nicht unmittelbar durch Messerstiche eintrat, ändert nichts am Vorsatz. Die tödliche Folge lag innerhalb des von ihm geschaffenen Risikos.

4. Niedrige Beweggründe bei Mord

Der Bundesgerichtshof bejahte niedrige Beweggründe. Der Angeklagte handelte aus Rache, Hass, Demütigung und Besitzdenken. Solche Motive stehen sittlich auf tiefster Stufe und sind besonders verwerflich. Sie erfüllen das Mordmerkmal des § 211 StGB. Durch die emotionale Zurückweisung und den Verlust des Sorgerechts fühlte sich der Angeklagte in seiner Ehre verletzt. Die Tat diente allein der Rache und der Wiederherstellung seiner vermeintlichen Macht. Damit lag ein klassischer Fall niedriger Beweggründe bei Mord vor.

5. Schuldspruchänderung durch den BGH

Der Bundesgerichtshof änderte den Schuldspruch selbst von versuchtem Mord auf vollendeten Mord. Das Verschlechterungsverbot stand dem nicht entgegen, da es nur die Rechtsfolgen, nicht aber den Schuldspruch betrifft. Die lebenslange Freiheitsstrafe blieb bestehen.

6. Revision der Nebenkläger

Die Revision der Nebenkläger wurde als unzulässig verworfen, da sie kein zulässiges Revisionsziel nach § 400 StPO angegeben hatten.


III. Zusammenfassung

  • Der Angeklagte hat den Tod des Opfers verursacht.
  • Die Flucht auf die Autobahn war vorhersehbar und dem Täter zurechenbar.
  • Der Tod trat aufgrund der Messerangriffe ein, nicht durch einen eigenständigen Kausalverlauf.
  • Der Täter handelte aus Rache und Demütigung.
  • Der Bundesgerichtshof bejahte niedrige Beweggründe bei Mord.
  • Der Schuldspruch wurde von versuchtem Mord auf vollendeten Mord geändert.
  • Die lebenslange Freiheitsstrafe blieb bestehen.
  • Die Revision der Nebenkläger war unzulässig.

IV. Bedeutung für die Praxis und Tipps

Diese Entscheidung ist von großer Bedeutung für die Anwendung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe. Sie zeigt, dass emotionale Motive wie Rache, Eifersucht, Kränkung und Besitzdenken regelmäßig als niedrige Beweggründe eingestuft werden. Insbesondere in Beziehungstaten ist die Gefahr hoch, dass Gerichte dieses Mordmerkmal annehmen.

Für die Verteidigung bedeutet dies, dass Motive des Täters genau zu analysieren sind. Eine bloße emotionale Belastung rechtfertigt keine Absenkung der Beweggründe. Nur schwerwiegende psychische Ausnahmesituationen können eine andere Bewertung ermöglichen.

Für Betroffene macht die Entscheidung deutlich, dass der Schutz vor häuslicher Gewalt strafrechtlich sehr ernst genommen wird. Taten aus Rache oder Demütigung gegenüber dem Partner werden besonders streng bestraft.

Zudem stellt der Bundesgerichtshof klar, dass ein Täter sich nicht damit entlasten kann, dass das Opfer „selbst“ flieht und dabei verstirbt. Wer eine lebensbedrohliche Lage schafft, trägt die volle strafrechtliche Verantwortung.


V. Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann liegen niedrige Beweggründe bei Mord vor?
Wenn das Tatmotiv sittlich auf niedrigster Stufe steht, etwa aus Rache, Hass, Eifersucht, Macht- oder Besitzdenken.

Warum war es vollendeter Mord und nicht nur versuchter Mord?
Weil der Tod der Geschädigten auf dem Verhalten des Täters beruhte und die Flucht auf die Autobahn vorhersehbar war.

Kann die Flucht des Opfers den Kausalverlauf unterbrechen?
Nein. Eine panische Flucht in Todesangst ist eine typische Reaktion und wird dem Täter zugerechnet.

Warum durfte der BGH den Schuldspruch ändern?
Das Verschlechterungsverbot betrifft nur die Strafhöhe, nicht den Schuldspruch. Die lebenslange Freiheitsstrafe blieb unverändert.

Warum war die Revision der Nebenkläger unzulässig?
Weil nach § 400 StPO ein Nebenkläger nur bestimmte Ziele verfolgen darf. Diese wurden nicht benannt.

Schlagworte: Rechtsprechung
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